Elisabeth Voß

Dipl. Betriebswirtin (FH) und Publizistin, Berlin

Wegweiser Solidarische Ökonomie: Vorwort des NETZ

Seit der ersten Auflage des „Wegweiser Solidarische Ökonomie“ ist die Frage, wie eine gerechte und zukunftsfähige Wirtschaft gestaltet sein müsste, noch drängender geworden. Die Zeit ist überreif für eine andere Ökonomie! Die zerstörerischen Auswirkungen der herrschenden Wirtschaftsweise, die auf maximale Kapitalverwertung zielt, sind unübersehbar. Sie beutet die begrenzten Naturschätze aus, zerstört wertvolle Landwirtschaftsflächen und damit die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen. Auf der Flucht vor Perspektivlosigkeit, vor den Folgen des Klimawandels und vor kriegerischen Auseinandersetzungen müssen immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen. Diese Wirtschaft ist nicht in der Lage, menschenwürdige Lebensverhältnisse für alle, überall auf der Welt, herzustellen. Sie lässt sich weder unter sozialen, noch unter ökologischen, noch unter ökonomischen Gesichtspunkten rechtfertigen.

Eine andere Wirtschaftsweise tut Not. Diese Erkenntnis verbreitet sich immer mehr, und die vielen Ansätze, in denen Menschen schon heute damit beginnen, anders zu wirtschaften, bekommen immer größere Aufmerksamkeit. Diese wirtschaftlichen Alternativen können kleiner oder größer sein, verstehen sich vielleicht als solidarisch, sozial, genossenschaftlich, commonsbasiert oder gemeinwohlorientiert, oder finden ganz andere Begriffe für das, was sie tun. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, die Bedürfnisse der Beteiligten zu erfüllen. Ihren Antrieb und ihre Motivation beziehen sie aus ihren konkreten Tätigkeiten, nicht aus der Orientierung auf Gewinne und Kapitalverzinsung. Sie zeigen ganz überwiegend die Tendenz, unter würdigen Arbeitsbedingungen sinnvolle Produkte herzustellen und Leistungen zu erbringen, die darauf ausgerichtet sind, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Dabei gehen viele von ihnen so sorgsam mit den Naturschätzen um, dass diese auch noch zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen.

Immer mehr Menschen, vor allem aus der jüngeren Generation, bemühen sich darum, ihre eigenen Lebens- und Berufsperspektiven nach ethischen Gesichtspunkten auszurichten. Sie möchten nicht nur die herrschenden Verhältnisse kritisieren, sondern selbst aktiver Teil des notwendigen gesellschaftlichen Wandels sein. Überall sprießen neue Initiativen und Projekte, die vor allem eines wollen: Es ganz anders machen, sozialer, ökologischer, einfach besser. Viele Projekte sind schon älter, bestehen seit Jahrzehnten, oder im Genossenschaftswesen teils seit mehr als 100 Jahren. Schon immer wurden innovative Alternativen über kurz oder lang auch ins herrschende System integriert – was nicht schlecht sein muss.

Wir freuen uns daher, dass unsere Vorstandskollegin Elisabeth Voß in der vorliegenden zweiten Auflage des Wegweiser die Bandbreite wirtschaftlicher Alternativen ausführlicher erläutert, und dabei auch auf kritische Aspekte mit eigener Position eingeht. Die Herausgabe dieses Buches ist für uns Teil unseres Engagements für wirtschaftliche Selbsthilfe in sozialer und ökologischer Verantwortung. Wir möchten damit Informationen über Ideen und Praxen solidarischen Wirtschaftens vermitteln, eine Orientierung in der Vielfalt dieser Ansätze anbieten und Diskussionen um die Frage, wie tragfähiges zukünftiges Wirtschaften aussehen sollte, bereichern.

August 2015

Der Vorstand des NETZ für Selbstverwaltung und Selbstorganisation e.V.

Marlis Cavallaro, Thomas von der Fecht, Hans-Gerd Nottenbohm, Peter Streiff, Elisabeth Voß

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